110.000 Frauen pro Jahr werden in Deutschland im häuslichen Umfeld Opfer von körperlicher und sexueller Gewalt.
Doch es fehlt an Frauenhäusern, einige Betroffene müssen zurück zu ihren Peinigern. Für die Familienministerin nicht das einzige Defizit.
In Deutschland wird jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. 110.000 Frauen wurden 2016 Opfer von Mord, Totschlag, Körperverletzung, Bedrohung, sexueller Nötigung oder Vergewaltigung im häuslichen Umfeld – die Dunkelziffer dürfte viel höher liegen. 40 Prozent aller Frauen erleben laut Familienministerium im Laufe ihres Lebens körperliche oder sexuelle Gewalt. Oft ist die überstürzte Flucht ins Frauenhaus die einzige Chance für die Betroffenen, einer akuten Bedrohung zu entkommen.
Vor 42 Jahren wurde in Deutschland das erste dieser Schutzhäuser eröffnet. Inzwischen gibt es deutschlandweit 350 Frauenhäuser und 100 Schutzwohnungen mit über 6000 Plätzen. Dazu kommen über 600 Beratungs- und Interventionsstellen. Und doch sind es noch immer nicht genug. Berichte über Engpässe in Frauenhäusern gibt es praktisch aus allen Teilen der Republik. Nicht selten müssen Helfer die misshandelten Frauen deshalb zurück zu ihren Peinigern schicken.
Mit der Unterzeichnung der Istanbul-Konvention – ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – hat sich Deutschland im vergangenen Jahr zu koordinierten und systematischen Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen auf allen Gebieten verpflichtet.
Noch aber sei vor allem die Bereitstellung von Schutz und Unterstützung gewaltbetroffener Frauen in Deutschland mangelhaft, kritisiert die Zentrale Informationsstelle autonomer Frauenhäuser. „Um die Maßnahmen der Istanbul-Konvention tatsächlich umzusetzen, sind erhebliche Anstrengungen seitens der Bundesregierung erforderlich“, heißt es dort. Es müsse sichergestellt sein, dass alle von Gewalt betroffenen Frauen und Kinder jederzeit kostenlose Zuflucht und unbürokratische, bedarfsgerechte Hilfe in einem Frauenhaus ihrer Wahl finden können.
Frauenministerin Franziska Giffey (SPD) hatte deshalb schon kurz nach ihrem Amtsantritt ein Aktionsprogramm gegen Gewalt gegen Frauen angekündigt. „Der Staat muss dafür sorgen, dass es genügend Angebote gibt, um Frauen in Gewaltsituationen aufzufangen“, sagte Giffey. „Wir brauchen einfach mehr Plätze.“ Am Dienstag tagte in ihrem Ministerium erstmals der im Koalitionsvertrag vereinbarte Runde Tisch von Bund, Ländern und Kommunen gegen Gewalt an Frauen. Das Ziel: der Ausbau und die finanzielle Absicherung der Arbeit von Frauenhäusern und ambulanten Hilfs- und Betreuungseinrichtungen.