SCHNELLE FINGER, KÜHLER KOPF

Lesen Sie die Kritik aus dem Kulturteil des Donaukurier zu unserem Benefizkonzert von Yojo Christen zugunsten des Kulturfonds für die Sonderpädagogische Einrichtung August-Horch-Schule in Ingolstadt.

 

Freuten sich über das gelungene Konzert: Bürgermeister Sepp Mißlbeck, SI Club Ingolstadt Präsidentin Beate Heinrich, Yojo Christen, Rektorin Sieber (v.l.n.r.)

 

Der Altmannsteiner Pianist Yojo Christen gibt Benefizkonzert in Ingolstadt


Ingolstadt (DK) Kurz vor dem Konzert geschah das, wovor sich Musiker am meisten fürchten: Der Pianist Yojo Christen verletzte sich an einem Finger – mit einem Glassplitter. Das über die Klaviertasten verflossene Blut kann man leicht wegwischen, die Wunde verschließen, aber ein Schmerz, eine Berührungsempfindlichkeit bleibt natürlich.

Yojo Christen aus Altmannstein, zweifellos der beste junge Pianist der Region, ließ sich dennoch nicht davon abhalten, das zugesagte Benefizkonzert in der August-Horch-Schule Ingolstadt zu geben. Die Einnahmen aus dem vom SI-Club Ingolstadt veranstalteten Konzert sollen vollständig in einen neuen Kulturfonds für die Schülerinnen und Schüler der August-Horch-Schule fließen.
 
Von dem kleinen Handicap des Künstlers war dann für das Publikum nicht das Geringste zu spüren. Im Gegenteil: Christen spielte absolut souverän, fast schon zu sicher. Kein Zweifel, der 22-Jährige, der seit viele Jahren bereits regelmäßig öffentlich auftritt und der vier CDs veröffentlicht hat, ist längst zum erwachsenen Künstler von Format gereift.
 
Tatsächlich hat sich viel verändert in Yojo Christens Musikverständnis. War er vor Jahren noch ein stürmisches Genie, ein verwegener Künstler, der das klassische Repertoire nicht selten gegen den Strich bürstete – ist davon inzwischen überhaupt nichts mehr zu spüren. Christen musiziert fast schon mit einer Obsession der Objektivität. Kein Rubato mehr als nötig ist zu hören, keine Manierismen, keine subjektiven Verstiegenheiten. Christen konzentriert sich auf die große Linie der Stücke, auf ihre Kernaussage, auf den Zusammenhang der einzelnen Motive und Abschnitte, die dann besonders deutlich werden, wenn sie möglichst zügig gespielt werden. Und da der junge Pianist über eine fulminante Technik verfügt, gelingt ihm das hervorragend.
 
Christen kommt in lockerer Kleidung auf die Bühne und eröffnet das Konzert mit Gershwins „Rhapsody in Blue“ in einer eigenen, besonders schwierigen Bearbeitung. Ein jazziges Stück, ein Werk, das swingen sollte. Christen geht einen anderen Weg. Er tobt sich bei den virtuosen Stellen aus, lässt den langsamen Satz gefühlvoll und warm vibrieren, trommelt die schwierigen Repetitionen im Schlusssatz mit verblüffender Leichtigkeit in die Tasten. Aber er verstehen den Gershwin eher als klassisches Stück, dessen rhythmischen Drive er nicht übermäßig betonen will.
 
Dann Beethovens Appassionata-Sonate. Auch hier ist ein virtuoser Zugriff zu spüren, Christen wählt schnelle Tempi und versteht den Komponisten weitaus eher als formbewussten Klassiker, denn als gefühlsbetonten Romantiker. So sehr man von der Virtuosität eingenommen ist, fehlt doch ein wenig das Verständnis der inneren Zerrissenheit des Komponisten, seiner Gefühlsstürme, dem Kampf der Motive. Aber was für ein Schlusssatz der Sonate: Das nicht enden wollende Rennen der Sechzehntel spielt Christen mit solch überspannter Raserei, die Presto-Coda dann so schnell, dass selbst er an seine pianistischen Grenzen stößt. Das hingerissene Publikum feiert Christen mit Bravorufen. Der ist so durchgeschwitzt, dass er kurz unterbrechen muss, um das Hemd zu wechseln.
 
Ruhiger Musik schließt sich an: Mozarts Klaviersonate mit dem Türkischen Marsch. Christen folgt erneut seinem Muster zurückhaltender Klassizität. Er setzt auf eine klare interpretatorische Linie, weit entfernt von rokokohafter Geziertheit wie man sie so oft hört. Sein Mozart klingt im besten Sinne cool, erfrischend einfach.
 
Zum Abschluss steht mit Chopins Scherzo Nr. 1 noch ein echter Reißer auf dem Programm, zumindest wenn man ihn so wie Yojo Christen auffasst. Nämlich in einem schier atemberaubenden Tempo. Da fliegen die Finger über die Tastatur, donnern die Bässe. Und der Mittelteil ist nur ein flüchtiger Moment des Innenhaltens vor einem erneuten Tastatur-Gewitter. Das Publikum ist außer sich vor Begeisterung. Und Christen spielt noch als Zugabe eine eigene Komposition: ein teuflisch schwieriger Ragtime aus seinem Musical „Starbright“. Wunderbar, wie Christen hier geschickt die alte Jazzform mit neuen klassischen Klängen verwebt, wie aus virtuosen Bewegungen sich allmählich eine süffige Melodie herausentwickelt. Was für ein Konzert! Und was für ein unglaublich begabter junger Pianist und Komponist!
Jesko Schulze-Reimpell

 




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