WHO CARES??? WER MACHT'S- WEN KÜMMERT'S- WER BEZAHLT'S?

Stellungnahme des Fachausschusses Sozial- und Beschäftigungspolitik

 

Anm. der Redaktion: Die grafische Darstellung der Statistik von Seite 2 des unten stehenden Textes finden Sie in der Datei unten. 

 

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Who cares??? Wer macht’s – Wen kümmert’s – Wer bezahlt’s?

Stellungnahme des Fachausschusses Sozial- und Beschäftigungspolitik

 

A. Präambel

Care Arbeit, Sorgearbeit oder reproduktive Arbeit lässt sich als personennahe fürsorgende Dienstleistung definieren, die sowohl bezahlt als auch unbezahlt erfolgen kann. Sie ist durch ein Abhängigkeitsverhältnis von Empfängerinnen und Empfängern gegenüber Erbringerin- nen und Erbringern gekennzeichnet. Eine weitere Besonderheit ist, dass für die Arbeit eine emotionale Komponente unerlässlich sowie die aufgewendete Zeit an sich ein Teil der Tätig- keit ist.1 Care Arbeit ist für die Gesellschaft unerlässlich.

Sie wird überwiegend von Frauen, oft im Schatten oder am Rande formeller Arbeit erbracht und nicht ausreichend wahrgenommen. Das gilt sowohl für die gesellschaftliche, politische als auch für die volkswirtschaftliche Betrachtung. Weder der soziale Zusammenhalt noch die Wirtschaft würden ohne Care Arbeit funktionieren. Selbst innerhalb der frauendominierten Care Arbeit zeigt sich eine unterschiedliche Verteilung der Aufgaben zwischen Frauen und Männern. Die Unterschiede schlagen sich in Bezahlung, Ausbildung und Wertschätzung formeller und informeller Care Arbeit nieder.

Unbezahlte Care Arbeit wird zu ca. 70 – 75 Prozent für arbeitsfähige Erwachsene und „nur“ zu ca. 20 – 25 Prozent für Kinder und kranke/betreuungsbedürftige Erwachsene geleistet.2 Die bezahlte und unbezahlte Care Arbeit ist jeweils Bestandteil der bezahlten bzw. unbezahl- ten Arbeit.

Herausforderungen wie demografischer Wandel, veränderte gesellschaftliche Lebensbedin- gungen und Zunahme der Erwerbstätigkeit von Frauen führen dazu, dass sich Art und Umfang der Care Arbeit deutlich verändern. Dabei sind wechselseitige Verschiebungen zwischen der informellen und der formalen Care Arbeit zu beobachten. In diversen Berei- chen der formalen Care Arbeit sind steigende gesundheitliche Belastungen der Arbeitnehme- rinnen und Arbeitnehmer, steigende Bildungs- und Berufsanforderungen bei gleichzeitig unzureichender Bezahlung zu beobachten. Nachdem Produktivitätssteigerungen im her- kömmlichen Sinn im Sorgebereich nur sehr begrenzt möglich sind, werden teilweise profes- sionelle Sorgeleistungen zurückgefahren. Diese werden wieder den privaten Haushalten zugeordnet, da die finanzielle Ausstattung des Care Bereichs nicht ausreichend ist. Care Arbeit unterliegt daher einem Wandel, der durch unterschiedliche Anforderungen und unzu- reichende Finanzierung ausgelöst wurde. Hier müssen Antworten gefunden werden. Sorge- arbeit ist kein individuelles Problem, für das eine individuelle Lösung gefunden werden muss, sondern es werden gesellschaftliche und politische Lösungsansätze benötigt.

 

B. Aktuelle Situation

Struktur der Arbeitszeit

Zwischen den Jahren 1991 und 2013 wurden vom Statistischen Bundesamt lediglich drei Zeitverwendungserhebungen durchgeführt, die eine Abschätzung des Umfangs der unbe-

1 Dossier der Heinrich Böll Stiftung, Gunda Werner Institut: Care Arbeit und Care Ökonomie: Konzepte zu besserem Arbeiten und Leben? 2011 www.gwi-boell.de
2 Mascha Madörin efas-Jahrestagung 24-25.11.2011 Wirtschaftliche Zukunftsfragen aus der Sicht der Care Ökonomie, Zahlen beziehen sich auf die Schweiz

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zahlten Arbeit ermöglichen.3 Daraus ergibt sich, dass noch immer die Arbeitszeit von Frauen zu zwei Dritteln aus unbezahlter Arbeit und nur zu einem Drittel aus Erwerbsarbeit besteht, während bei den Männern der Anteil der Erwerbsarbeit etwas mehr als die Hälfte (55 Pro- zent) und die unbezahlte Arbeit etwas weniger als die Hälfte (45 Prozent) umfasst.4

Anteil Hausarbeit und Ehrenamt an der täglichen Gesamtarbeitszeit von Männern und Frauen in Minuten, 2002/2013

2013, Min 2002, Min 2013 Min 2002 Min

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199

144

21

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23

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 Erwerbsarbeit Haushalt Ehrenamt

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Wie hoch der Anteil von Care Arbeit an der unbezahlten Arbeit ist, ist für Deutschland nicht erfasst und kann aus den vorliegenden Daten auch nicht ermittelt werden.

Arbeitsvolumen

2001 betrug der Gesamtumfang aller unbezahlten Arbeiten in Deutschland 96 Mrd. Stunden und war damit fast doppelt so umfangreich wie die Erwerbsarbeit mit 56 Mrd. Stunden.

Arbeitswert

Betrachtet man den Wert der unbezahlten Care Arbeit, so machte sie im Jahr 2001 vom Gesamtwert der Haushaltsproduktion5 61 Prozent aus (1992 waren es noch 66 Prozent).

Bezogen auf die gesamte Wirtschaftsleistung in Deutschland ist der Anteil unbezahlter Care Arbeit beachtlich. So betrug 2001 die gesamte Wirtschaftsleistung einschließlich Haushalts- produktion 2.786 Mrd. Euro, die Bruttowertschöpfung der Haushaltsproduktion machte davon 820 Mrd. Euro aus, das entspricht 29 Prozent. Auch wenn die schon im Bruttoinlandsprodukt (BIP) erfasste Haushaltsproduktion in Höhe von 102 Mrd. Euro berücksichtigt wird, entsprach die Bruttowertschöpfung der Haushalte in Höhe von 718 Mrd. Euro derjenigen der deutschen Industrie und der Bereiche Handel, Gastgewerbe und Verkehr zusammen.6 Das belegt deut- lich, dass die Bruttowertschöpfung der privaten Haushalte Gewicht hat. Dabei nicht berück- sichtigt ist die gesellschaftliche Bedeutung der Haus- und Familienarbeit.

3 (Statistisches Bundesamt, Die Zeitverwendung der Bevölkerung in Deutschland 2001/2002 und Zeit- verwendungserhebung 2012/2013)
4 Im Vergleich zur Erhebung von 2002/2003 hat sich allerdings die Situation verbessert. Damals machte die unbezahlte Arbeit der Frauen 73 Prozent aus, die der Männer 48 Prozent.

5 Haushaltsproduktion ist die unbezahlte Erstellung von Gütern und Dienstleistungen durch Mitglieder der privaten Haushalte (auch Nachbarschaftshilfe, ehrenamtliche Tätigkeit in Vereinen u. ä.) zur Deckung eigener Bedürfnisse.
6 Dieter Schäfer, Unbezahlte Arbeit und Bruttoinlandsprodukt 1992 und 2001, Statistisches Bundes- amt, Wirtschaft und Statistik 6/2004 960 - 978

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3

C. Folgerungen

Die Zahlen belegen, dass die unbezahlte Arbeit der Frauen fast zwei Drittel ihrer Arbeitszeit ausmachen.7 Sie belegen ebenfalls, dass die unbezahlte Arbeit der privaten Haushalte 26 Prozent der gesamten Wertschöpfung ausmacht, bezogen auf das BIP sind es sogar 34 Prozent8.

Care Arbeit ist überwiegend Frauenarbeit, unabhängig davon, ob sie bezahlt oder unbezahlt geleistet wird.

Bezahlte Care Arbeit ist im Verhältnis zu männerdominierten Berufen nicht angemessen bezahlt und oft von emotional und körperlich anspruchsvollen Anforderungen gekennzeich- net.

Sowohl die bezahlte als auch die unbezahlte Care Arbeit werden von der Gesellschaft nicht ausreichend geschätzt und gewürdigt.

Der Bedarf an Care Arbeit wird aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen in den nächsten Jahren stark zunehmen.

Care Arbeit stellt einen großen Teil des Wirtschaftens dar und muss deshalb entsprechend thematisiert werden, da es kaum Daten und wissenschaftliche Untersuchungen zur Care Arbeit gibt. Es fehlen Handlungsempfehlungen und langfristige Strategien.

 

D. Forderungen

  1. Sichtbarmachung der Wertschöpfung der unbezahlten Care Arbeit in der volkswirtschaft- lichen Gesamtrechnung bzw. in einem ergänzenden System, um die unbezahlte Arbeit aus dem Schattenbereich zu holen und so die gesamte volkswirtschaftliche Wertschöp- fung darzustellen

  2. Regelmäßige statistische Erhebungen und wissenschaftliche Untersuchungen zur bezahl- ten und unbezahlten Care Arbeit in Bayern

  3. Rahmenbedingungen schaffen für eine gerechte Aufteilung der Care Arbeit zwischen Männern und Frauen, z. B. bei der Elternzeit

  4. Gute Arbeitsbedingungen in der Care Arbeit und angemessene Entlohnung in der bezahl- ten Care Arbeit

  5. Bereitstellung guter Infrastruktur, die Care Arbeit unterstützt und ermöglicht, wie z. B. Kinderbetreuung und Sozialzentren.

     

     

München, 15. April 2016

Hildegund Rüger Präsidentin

 

7 Statistisches Bundesamt 2015: Wie die Zeit vergeht. Ergebnisse zur Zeitverwendung in Dtld 2012/13, S.7
8 Dieter Schäfer, Unbezahlte Arbeit und Bruttoinlandsprodukt 1992 und 2001, Statistisches Bundes- amt, Wirtschaft und Statistik 6/2004 960 - 978 



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