Die Zahl der Gewaltdelikte in Partner- und Ex-Partnerschaften ist 2020 erneut gestiegen. Laut Kriminalstatistik geht die Gewalt zum überwiegenden Teil von Männern aus. 23. November 2021, Quelle: ZEIT ONLINE, AFP, KNA, dpa, phb
Die Zahl der angezeigten Gewalttaten unter Paaren und Ex-Partnern ist im vergangenen Jahr noch stärker gestiegen als in den Jahren zuvor. Laut einer aktuellen Statistik zur Partnerschaftsgewalt registrierten die Behörden 2020 bundesweit 146.655 Fälle, in denen ein aktueller oder ehemaliger Partner Gewalt ausübte oder dies versuchte. Das ist ein Anstieg um 4,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 139 Frauen und 30 Männer wurden von ihrem aktuellen oder ehemaligen Partner getötet.
Wie die Daten des Bundeskriminalamts (BKA) zeigen, geht die Gewalt nach wie vor zum überwiegenden Teil von Männern aus. Demnach sind 79 Prozent der Tatverdächtigen männlich und 80,5 Prozent der Opfer Frauen. Laut BKA-Präsident Holger Münch war etwa ein Drittel der Tatverdächtigen zwischen 30 und 40 Jahren alt. 23 Prozent standen zum Tatzeitpunkt unter Alkoholeinfluss.
Dass Schläge, Stalking, Vergewaltigung oder Drohungen in Paarbeziehungen oder zwischen Ex-Partnern durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie stark zugenommen hätten, lässt sich aus der Polizeistatistik nicht ohne Weiteres ablesen. Denn die Daten beziehen sich auf Fälle, bei denen die Ermittlungen 2020 abgeschlossen wurden. Die Tat selbst kann dabei schon früher begangen worden sein.
Blickt man gezielt auf die während der Monate des (Teil-)Lockdowns begangenen Gewalttaten, ist der Anstieg im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum dagegen relativ gering. Laut Münch sei im April und Mai ein Anstieg der Taten zu beobachten gewesen, während die Zahl der Delikte im November und Dezember rückläufig gewesen sei.
Die Polizei geht allerdings davon aus, dass solche Taten während der Zeit der Kontaktbeschränkungen seltener von Dritten entdeckt wurden. Zudem ist es für Betroffene tendenziell schwieriger, sich bei der Polizei zu melden, wenn der gewalttätige Partner ständig in der Nähe ist.
Die geschäftsführende Bundesfrauenministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte, jede Stunde würden in Deutschland durchschnittlich 13 Frauen Opfer von Gewalt in Partnerschaften. Alle zweieinhalb Tage werde eine Frau durch die Gewalttat ihres Partners oder Ex-Partners getötet. "Das dürfen wir nicht länger zulassen, wir müssen da ganz klare Kante zeigen."
Für viele Frauen und manche Männer werde das eigene Zuhause zu einem "Ort des Schreckens". Die Ministerin rief Betroffene dazu auf, Hilfsangebote wahrzunehmen: "Äußert Euch, raus aus dem Tabu, Ihr seid nicht allein."
Die Zahl der erfassten Straftaten im Bereich der Partnerschaftsgewalt stieg seit 2015 um elf Prozent an, sagte Münch. 2020 lag der Anteil der einfachen Körperverletzungen der Statistik zufolge bei über 61 Prozent. Mehr als 22 Prozent der Betroffenen wurden Opfer von Bedrohung, Stalking oder Nötigung.
Im Bereich der Partnerschaftsgewalt gebe es aber ein "erhebliches Dunkelfeld", sagte Münch. "Die meisten Straftaten geschehen in den privaten vier Wänden, im Verborgenen." Auch Münch appellierte an die Opfer, Beratungsangebote wahrzunehmen und die Taten anzuzeigen. "Die Tatsache, dass die meisten Taten im privaten Bereich stattfinden, darf nicht dazu führen, dass die Täter sich sicher fühlen."
Beim Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen stieg die Zahl der Beratungsgespräche 2020 um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zunahme der Beratungen könne auch an der Präsenz des Hilfetelefons in der Öffentlichkeit während der Pandemie liegen, erklärte Hilfetelefonleiterin Petra Söchting. Jedoch hätten Lockdown und Kontaktbeschränkungen die Risikofaktoren für Gewalt in der Partnerschaft generell erhöht.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) ruft dazu auf, über Gewalt an Frauen sensibel zu berichten. Medien dürften die Taten weder beschönigen noch die Motive des Täters in den Mittelpunkt stellen. "Begriffe wie 'Ehrenmord' oder 'Liebesdrama' beschönigen oder verniedlichen das, was sich immer noch viel zu oft zwischen Männern und Frauen abspielt", sagte der DJV- Bundesvorsitzende Frank Überall.
Weiter hieß es, der Mord an einer Frau sei klar als Femizid zu bezeichnen. Minou Amir-Sehhi, die Vorsitzende des Fachausschusses für Chancengleichheit und Diversity im DJV sagte, Redaktionen müssten verhindern, dass weibliche Opfer von Gewalt zum zweiten Mal Opfer durch eine diskriminierende Berichterstattung würden.
23. November 2021, Quelle: ZEIT ONLINE, AFP, KNA, dpa, phb